- Monika Bremer
Newsletter Monika Bremer | November 2022
Aktualisiert: 12. Nov. 2022

Liebe Leserinnen und Leser,
heute ist der 11. November und in Downtown Kairo dieses Datum derzeit öffentlich zu erwähnen, ist nicht ganz risikolos. Seit den frühen Morgenstunden fahren regelmäßig Polizeifahrzeuge in Richtung Tahrir- und Talaat-Harb-Platz. Bereits seit gestern Nachmittag sind dort Polizei und Feuerwehr stationiert. Von meinen Fenstern aus habe ich sowohl Blick auf die Talaat-Harb-Straße als auch auf die Kasr-El-Nile-Straße und kann das Treiben in Downtown von hier aus beobachten. Einen Rundumblick auf das Geschehen gibt es von unserem Hausdach aus. Soeben fährt erneut ein Polizeiauto mahnend vorbei. Vor dem Hintergrund der Klimakonferenz COP27 in Ägypten ist die oberste Priorität der Regierung die positive Präsentation und natürlich die Stabilität des Landes. Die für heute angekündigten Proteste sind unerwünscht. Darüber gäbe es unendlich viel zu recherchieren und zu schreiben. Warum ich das als freie Journalistin nicht mache, wird in diesem Artikel von The Guardian vom 18. Oktober 2022 sehr anschaulich dargestellt und enthält zahlreiche Informationen zur Situation in Ägypten. So eine Veröffentlichung ist aus Ägypten heraus derzeit nicht möglich. Zwei weitere Polizeiautos mit Sirenen, die gerade den Blickwinkel meines Fensters kreuzen, bestätigen das lautstark. Daniel Hechler vom ARD-Studio in Kairo erklärt von der Klimakonferenz die Hintergründe:
Ich habe mich bewusst nach wie vor für Kairo entschieden, aber auch bewusst dafür, als Redakteurin für inzwischen einen weiteren Auftraggeber in Berlin zu arbeiten und zudem Kulturwissenschaften zu studieren. Ich schreibe in unregelmäßigen Abständen meine Kolumne und in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Journalistenverband und der Reporterfabrik erarbeite ich das Thema "Journalismus macht Schule" für die deutschen Schulen in Kairo. Das ist andere journalistische Arbeit, als die Aufgabe von Korrespondenten. Aber es ist solide journalistische Tätigkeit, sowohl die Arbeit für Berlin als auch meine Kolumne, mein Blog und mein Newsletter. Ich bin auch nicht zu blöd, meine neue Facebook-Seite zu promoten. Auf der Seite des Metal-Battles für Ägypten habe ich knapp 4.000 Follower. Aber sobald ich mehrere tausend Follower als Journalistin habe, rücke ich in den Fokus der Regierung und werde ab 5.000 Followern als Medienunternehmen betrachtet. Ich empfinde es immer als beleidigend, wenn jemand zu mir sagt: "Hat wohl nicht so geklappt mit dem Journalismus, so eine richtig echte Journalistin bist Du ja nicht". Ich versuche mich damit zu trösten, dass diese Person wahrscheinlich meint, ich sei keine Korrespondentin und von Journalismus nicht viel versteht.
Warum die Arbeit als freie Journalistin vor Ort in Kairo so schwierig ist, liegt, neben der Tatsache, dass zahlreiche Medien die Informationen über Nachrichtenagenturen einkaufen, unter anderem daran, dass Ägypten kein Mitgliedsland des IFJ (International Federation of Journalists) ist. Weder für die Region Middle East, noch für Asia noch für Africa. Mitglieder des IFJ verpflichten sich den ethischen Ansprüchen des Journalismus, der Menschenrechte und der Meinungsfreiheit. Aus Middle East sind Länder wie Bahrain, Oman und auch Saudi Arabien offiziell mit dabei. Wenn ich Anfang des nächsten Jahres in genau diese Länder reisen werde, sollte man mir dort auf berechtigte Anfrage und unter Vorlage meines offiziellen internationalen Presseausweises Zugang zu notwendigen Informationen ermöglichen. In Ägypten kann ich mich damit noch nicht mal für das Filmfest in Kairo akkreditieren. Ich darf keine öffentlichen Interviews führen, keine öffentlichen Fotos machen und bekomme keine offiziellen Presseinformationen. Wenn ich aber die persönliche Erlaubnis für Interviews und Fotos, beispielsweise von Künstlern, erhalte, dann kann ich darüber schreiben. So können Sie sich in der nächsten Woche über eine Kolumne über die Ausstellung "Waking the Giants" von Aya Tarek und Simon Petermann freuen.
Diese Situation führt unter anderem dazu, dass Medien, die auf aktuelle Informationen angewiesen sind, auf das zurückgreifen, was ich Second-Hand-Content nenne. Es werden keine originalen Quellen verwendet, sondern oft unreflektiert und ohne Quellenprüfung Inhalte von anderen Medien oder aus den sozialen Netzwerken als Resource verwendet. Das führt dann zu Fehlinformationen wie beispielsweise einer WhatsApp-Nachricht, die ankündigte, am gestrigen Donnerstag sollten alle Geschäfte und Cafés in Downtown nachmittags um 15 Uhr schließen. Ich hatte versucht, eine Quelle für diese Informationen auf den Internetseiten des ägyptischen Innenministeriums zu finden, war aber erfolglos. Ich fühle mich an 2011 und 2012 erinnert, und mache das, was wir bereits vor 10 Jahren gemacht haben. Ich gehe selbst vor Ort und verschaffe mir einen Überblick über die Situation und spreche mit Menschen, die mir dazu die Erlaubnis geben. Im Moment wird zum Gebet aufgerufen, sodass einige Menschen auf der Straße sind und es für mich unauffälliger ist, einen Spaziergang vor Ort zu machen. Dann will ich mal los. Meinen Journalistenausweis lasse ich vorsichtshalber mal zuhause.